Vortrag Britta Wauer
Auf dem Plan sieht er aus wie ein Garten der Renaissance: Eine Geometrie von Rechteck, Trapez und Dreieck. Aber wer durch das Eingangstor tritt, fehlt sich wie an einem verwunschenen Ort. Morgentau und Nebel, hohe Bäume, Dickicht und von rechts ein kleiner Fuchs – der Jüdische Friedhof Weißensee. 130 Jahre ist er alt und der größte jüdische Friedhof in Europa, auf dem noch bestattet wird. Etwa 86 Fußballfelder hätten dort Platz. Wer über den Friedhof geht, spaziert wie durch ein Geschichtsbuch. Lang ist die Liste berühmter Künstler, Philosophen, Juristen, Architekten, Ärzte, Religionslehrer und Verleger, die dort beerdigt sind. Einfache Steine stehen neben prächtigen Mausoleen aus der Zeit des Jugendstil oder Art-Deco. Manche Grabanlagen wirken verspielt, viele rühren mit ihren Inschriften, andere beeindrucken durch ihre Monumentalität. Das Besondere ist: Weißensee ist nie geschlossen worden. Auch zwischen 1939 und 1945 fanden immer Beerdigungen statt – alle nach jüdischem Brauch. Am Rande von Ost-Berlin gelegen, rückte der Friedhof nach dem Krieg immer mehr in Vergessenheit. Die einst gepflegte Anlage wuchs zu einem Urwald. Seit der deutschen Einheit werden die einzelnen Grabfelder Stück für Stück wieder frei gelegt, viele der prächtigen Familiengräber wurden restauriert und manchmal gab es erstaunliche Entdeckungen.